Der Feuermeteor vom 13. Oktober 2009
Eine Annäherung an die Flugbahnparameter

(Karl Hovekamp, Januar 2010)

Der unerwartete, grenzübergreifende Feuermeteor vom Abend des 13. Oktobers des Jahres 2009 hat viele Niederländer und Deutsche fasziniert. Trotz der Überraschung glückte Robert Mikaelyan in Groningen eine fantastische Serie exzellenter Fotos von diesem Ereignis. (Bilderserie von Robert Mikaelyan) In kürzester Zeit gab es aus beiden Länder eine Vielzahl von Augenzeugenberichten. Leider enthielten die meisten Berichte wenig verwertbare Informationen, aber schnell wurde dann doch klar, dass die Flugbahn des Meteor von Südwest nach Nordost über den Norden der Niederlande verlaufen war. Es blieb allerdings unklar, ob der Meteoroid es bis Deutschland geschafft haben könnte oder irgendwo über der Nordsee endete. Wahrnehmungen von Geräuschen und die Registrierung von Infraschall zeigte klar, dass der Meteoroid tiefere Luftschichten erreicht haben mußte und es wahrscheinlich auch zu Meteoritenfällen gekommen war. In der frühen Abenddämmerung blieb am Himmel eine von der Sonne angestrahlte Rauchspur zurück, die mehrere Minuten gut zu sehen war, während sie von unterschiedlich starken Höhenwinden, bizarr verformt wurde. Zeit genug für viele Menschen sich von der Überraschung zu erholen und Fotos von der Rauchspur zu machen. Ich kenne bisher kein anderes Meteorereignis bei dem die Rauchspur mit so vielen Bildern aus den unterschiedlichsten Perspektiven dokumentiert ist. Für die Rekonstruktion der Flugbahn sind diese Bilder eine wertvolle Hilfe.

Auswertung von Rauchspurbildern:
Im Internet fand ich zwei Aufzeichnungen der Rauchspur, die mir besonders geeignet erscheinen die Fluchtrichtung des Feuermeteors zu bestimmen. Ein kurzes Video aus St.-Peter-Ording zeigt die Rauchspur in einem Winkel von etwa 80° von oben rechts nach unten links verlaufend. (Rauchspurvideo bei Youtube) Ein Foto, das weiter südlich aufgenommen wurde (bei Achterwehr), zeigt die Rauchspur mit etwa 70° von links oben nach rechts unten verlaufend. (Bild der Rauchspur aus Achterwehr) Die Fluchtrichtung muss somit zwischen den beiden Aufnahmeorten liegen, etwa bei der Eidermündung.

Auf einem Bild von Volker Saueressig, das in größerer Nähe entstand (Utlandshörn), ist an den Rauchspuren die Hauptfragmentierungsphase gut zu erkennen. (Bild von Volker Saueressig) Die dort am Ende in vier Streifen aufgelöste Spur liegt bereits im etwas rötlicherem Halbschatten der untergegangenen Sonne, während die davor liegende ungeteilte Rauchspur das volle Sonnenlicht direkt reflektiert. Der Sonnenuntergang fand dort gegen 18:40 Uhr statt, sodass um 18:58 Uhr Objekte oberhalb von 10 km noch von der Sonne angestrahlt wurden. So schließe ich daraus, dass die Hauptfragmentierung in einem Bereich zwischen etwa 10 und 15 km Höhe stattgefunden haben muss.

Augenzeugenberichte:
Die Suche nach Augenzeugenberichten führte auch zu Beobachtern des Ereignisses auf der Insel Juist und im Bereich der Stadt Norden. Während die Augenzeugen auf Juist die Reste des Meteors in südwestlicher Richtung bei einer Elevation von 35° verlöschen sahen, berichteten Beobachter im Raum der Stadt Norden, die Fragmentation und das Verlöschen des Meteors im Nordwesten bei einer Elevation zwischen 30° und 40° gesehen zu haben. Somit dürfte feststehen, dass die Dunkelflugphase der Meteoroidenfragmente wahrscheinlich über dem Wattenmeer oder dem Dollart, begonnen hat.

Die Meteorbahn verlief somit zwischen Juist und der Stadt Norden mit der Flucht in Richtung Eidermündung. Es ergibt sich ein Azimut von ungefähr 59° und die Extrapolation nach Südwesten zeigt, dass der Meteoroid ungefähr über den Abschlußdeich am Ijsselmeer und Leeuwarden geflogen sein muss.

Video vom Flugplatz Eindhoven:
Die besten Informationen zur Berechnung der Flugbahnparameter des Feuermeteor aber lieferte ein Video vom Flugplatz Eindhoven, das bei Youtube verfügbar ist. (Video vom Flugplatz Eindhoven: Meteor sichtbar von 1:10 bis 1:16) Das Video zeigt den Meteor als dunklen Fleck, der sich gradlinig von links oben nach rechts unten im Bild bewegt. Die Zeitdauer der Sichtbarkeit liegt bei ~5,5 Sekunden, bis der Meteor hinter horizontnahen Wolken verschwindet.

Zur Verwertung dieser Aufzeichnung war es notwendig die Videobilder auszumessen. Mittels Google Earth und an Hand einer Luftbildkarte des Flugplatzes ermittelte ich die Position und den Blickwinkel der Kamera. Die Genauigkeit ist allerdings beeiträchtigt, da das hier verwendete Luftbild älteren Datums ist und einge Orientierungspunkte verändert sein können. (Luftbildkarte vom Flugplatz Eindhoven) Außerdem ist der Flugplatzbereich selbst, auf den Luftbildern in der Auflösung stark verringert, sodass dort manche Details aus dem Video nicht zu erkennen sind.

Daten aus dem Video:
Der Eintritt des Meteors ins Bild erfolgte bei einem Azimut von 6,8° und einer Elevation von 13,6°. Für das letzte Bild, das den Meteor zeigt, liegt der Azimut bei 18,8° und die Elevation bei 4,5°. Die Schnittpunkte dieser Daten mit der vorher ermittelten Flugrichtung ergaben folgende Werte:

Für das erste Bild eine horizontale Entfernung von 194 km und daraus abgeleitet, bei Berücksichtigung der Erdkrümmung und der atmosphärischen Brechung, eine Höhe von etwa 49,5 km über Grund bei Leeuwarden. Für das letzte Bild ermittelte ich entsprechend eine Entfernung von 238 km und eine Höhe über Grund von 22,5 km. Der Höhenverlust zwischen erstem und letztem Bild betrug somit 27 km und die horizontale Strecke 63 km woraus sich ein Eintrittshöhenwinkel von 23,2° errechnet. Die Flugstrecke zwischen beiden Positionen beträgt ungefähr 68,5 km. Aus der Zeit zwischen beiden Bildern, die ~5,5 Sekunden betrug, ergibt sich für diese Flugstrecke eine mittlere Geschwindigkeit von knapp 12,5 km/s. Der Fluchtpunkt ist ebenfalls aus diesen Werten abgeleitet und liegt auf Norderney bei etwa 53°43'N 7°14'O. Der Radiant, auf der anderen Seite, ist im Sternbild "Kopf der Schlange" zu finden.

Parameter der Trajektorie:
Azimut ~59°
Eintrittswinkel ~23,2°
Eintrittsgeschwindigkeit >12,5 km/s
Fluchtpunkt ~ 53°43'N 7°14'E

Karte:
Vorschau
Das Bild steht unter der Lizenz: creativ commons
Original: Wikipedia (Datei:Deutschland Übersichtskarte.png)
Urheber des Originals: Lencer und NordNordWest
Urheber des bearbeiteten Ausschnitts: Karl Hovekamp

Dunkelflug:
Alle Beobachter aus dem Bereich der nordöstlichen Niederlande und Ostfrieslands berichten vom Verlöschen der Flugobjekte über der Erdobefläche. Die Hemmung der Meteoroidenfragmente hat, je nach ihrer Restmasse, in unterschiedlichen Höhen stattgefunden und der anschließende freie Fall zur Erdoberfläche ist dann sicher durch Winddrift beeinflußt worden. Zur Zeit des Ereignisses herrschte in Ostfriesland in allen Höhenschichten kräftiger Nordwind. Radiosonden, die einige Stunden vorher und nachher in Emden gestartet wurden, zeigten in 9 bis 11 km Höhe die höchsten Windgeschwindigkeiten von etwa 200 km/h. Bis in 20 km Höhe ging die Windgeschwindigkeit auf etwa 50 km/h zurück, ebenso wie es nach unten, in 2 km Höhe, der Fall war. Aus diesen Werten läßt sich eine Abdrift der Meteroidenreste nach Süden ableiten, die bis zu einigen Kilometern betragen haben kann. Es ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Bruchstücke ins Wattenmeer gefallen sind. Zu dieser Zeit, kurz vor Ende der auflaufenden Flut bei den Höchstwasserständen, dürften diese Bruchstücke, vom Wasser gebremst, sanft auf den Wattboden gesunken sein.

Unsicherheiten in der Auswertung:
Die Zeugenaussagen sind oft mit sehr großen Fehlern behaftet. Zum einen durch die Überraschung und das Erschrecken bei der Beobachtung und zum anderen durch die ungewohnten Geschwindigkeiten und Blickwinkel. So ist es nicht verwunderlich, dass manche der Beobachtungsberichte stark voneinander abweichen und in Teilen widersprüchlich sind. Verlässlichere Informationen bringen da schon Fotografien und Videos. Aber auch hier sind größere Unsicherheiten vorhanden. So setzt die geringe Auflösung der Bilder in Kombination mit großen Entfernungen der Genauigkeit Grenzen. Weitere Unsicherheiten liegen in dem nur durch Abschätzung ermittelten Horizont. Sind gar die genaue Aufnahmeposition und der Blickwinkel nicht bekannt, ist eine gesicherte Auswertung nicht möglich. Hinzu kommt noch, dass sich einzelne Ungenauigkeiten summieren und dann erhebliche Fehleinschätzungen zur Folge haben können. Genauer gesicherte Ergebnisse werden somit weiteren Auswertungen und Nachforschungen vorbehalten bleiben.

Suche nach Meteoriten:
Der erfolgreiche deutsche Meteoritensucher Thomas Grau (er fand den vor etwa einem Jahr gefallenen Ostsee-Meteoriten) hat viele Augenzeugen in Ostfriesland befragt und vermutet das Absturzgebiet im Wattenmeer bei der Itzendorfplate zwischen der Insel Juist und der Stadt Norden. Zusammen mit einigen anderen hat er eine Woche lang im Wattenmeer und an der ostfriesischen Küste nach Meteoriten gesucht. Die Suche blieb aber leider erfolglos.

Offene Fragen:
So bleiben noch viele Fragen, auf die bisher noch keine oder nur unbefriedigende Antworten gegeben werden können.
* Gibt es Meteoriten, wo sind sie gefallen und von welcher Art sind sie?
* Wie groß war der Meteoroid, welche Masse hatte er und ist er vielleicht auf Sternenfotos zu finden?
* Wie war die Umlaufbahn und gibt oder gab es auf der Bahn noch mehr Meteoroiden, die die Erde treffen können oder schon getroffen haben?
* Warum wurde der Meteoroid nicht vor seinen Eintritt in die Lufthülle der Erde entdeckt, wie es bei 2008 TC3 der Fall war?

Restrisiko:
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass ein Meteoritenfall größeren Schaden anrichtet, bleibt doch die Frage, ob es nicht besser wäre so ein Ereignis vorher berechnen zu können?
Die Menschen wären nicht überrascht, sondern könnten sich angemessen auf das Ereignis vorbereiten. Es müßte dann auch selbstverständlich sein, für die betroffene Region und Zeit, einen "no-fly alert" zu erlassen, wie es z.B. bei Raketenstarts üblich ist.
Siehe: (Spaceweather 10. Dezember 2009) und (no-fly alert)

* Ganz aktuell gab es einen unvorhergesehenen Meteoritenfall in Lorton (USA). Der Meteorit durchschlug das Dach und landete in einer Arztpraxis. The Washington Post
* Einen ähnlichen Fall gab es 1990 in Glanerbrug. The Glanerbrug meteorite fall
* Und es kann auch noch härter kommen, wie der Fall in Carancas zeigte. Wikipedia Carancas (Meteorit)

Daher:
"--- Always keep an eye on the sky ---"